Und führe uns nicht in Versuchung…
Ein Vater führe seine Kinder nicht in Versuchung, sagte Papst Franziskus in einem Interview und stieß an, die Bitte im Vaterunser sprachlich zu ändern. Und lass uns nicht in Versuchung geraten – wäre das die bessere Alternative im Vaterunser? So lautet die Bitte inzwischen im Französischen.
Ganz unterschiedliche Alternativen sind in der evangelischen Kirche diskutiert und verwendet worden. Von „Führe uns nicht in Zerrreißproben“ oder „in Anfechtungen“ bis hin zu „Führe uns nicht zum Verrat an dir“.1
Die Frage aber bleibt: Ist Gott der, der uns zum Straucheln bringen kann? Dahinter verbirgt sich die Frage nach Gottes Wirken in der Welt, die letztlich immer zur Frage nach unserem Gottesbild gehört. Was will dieser Gott, was kann dieser Gott?
Eine auf den ersten Blick einfache Antwort ist zu sagen, dass alles Schlechte vom Teufel und alles Gute von Gott kommt. Doch die Frage, warum Gott dann dem Guten nicht zum Recht verhilft, bleibt bei dieser Antwort offen. So einfach kann man es sich also nicht machen – es sei denn man will im Subtext seines Lebens eine epische Schlacht zwischen Gut und Böse sehen. In meinem Leben geht es da doch etwas aufgeräumter, ganz ohne Schlachtgetümmel, zu.
In der Bibel sind des die großen Prüfungen des Abraham und des Hiob, die von Gottes Verantwortung für alles, was geschieht, ausgehen. Doch gehen beide Prüfungen nicht zulasten von Abraham und Hiob aus. Abraham muss seinen Sohn Isaak eben nicht opfern und Hiob bekommt nach all dem ertragenen Leid schließlich sein früheres Leben in Wohlstand und Zufriedenheit zurück.
Wenn wir nicht den Fehler machen und statt von Gottes Macht von Gottes Allmacht sprechen, dann sollte es uns nicht allzu schwer fallen, auf dieser Erde zu leben ohne zu erwarten, dass Gott jederzeit zu unseren Gunsten in den Weltenlauf eingreifen müsste.
Wir sind ins Leben hineingestellt, verletzen Menschen und werden verletzt. Wir haben hinzunehmen, haben uns zu wehren. Manchmal mehr, manchmal weniger. Bei allem, was wir erfahren und erleben bleibt das Vertrauen zu Gott. Wir sind sein, wir kennen seine Macht.
Wer meint, er stehe, sehe zu, dass er nicht falle!
Es hat euch bisher noch menschliche Versuchung getroffen.
Gott aber ist treu.
Er wird auch weiterhin nicht zulassen, dass die Versuchung über eure Kraft geht.
Wenn er euch auf die Probe stellt,
sorgt er auch dafür, dass ihr sie bestehen könnt.
1 Kor 10,12f.
Du, unser Gott, bist freundlich, wahrhaftig und geduldig.
Alles regierst du mit Barmherzigkeit.
Wenn wir auch sündigen, sind wir doch dein
und kennen deine Macht.
Weisheit 15,1f.
- zitiert nach Marlene Crüsemann: Großer Verführer, kleiner Mensch. Das Vaterunser kann auch anders übersetzt werden. Warum nicht? in: Zeitzeichen 2/2018. ↑
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