Karwoche – Tag 5 (Karfreitag): Aufs Vergelten verzichten

Wir sind in der Karwoche. Kar, das heißt so viel wie Wehklage und Trauer.

In dieser Woche will ich das Lied „Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken“ von  Christian Fürchtegott Gellert Strophe für Strophe betrachten. Auch heute, am Karfreitag.

Wie sehr für Gellert die Liebe Gottes mit dem Leiden verknüpft ist, haben wir bereits gesehen. Ohne das Wissen um die Liebe Gottes kann man Jesu Leidensweg nicht nachgehen. Da ist sich Gellert sicher. Der Blick zum Kreuz muss beides sein: voll Schrecken und voll Freude. Und der Blick zum Kreuz zeigt auf Gottes Weisheit.

Heute wollen wir die achte Strophe anschauen:

Ich will nicht Hass mit gleichem Hass vergelten,
wenn man mich schilt, nicht rächend widerschelten,
du Heiliger, du Herr und Haupt der Glieder,
schaltst auch nicht wider.

Zwei Strophen, die nicht den Weg ins evangelische Gesangbuch gefunden haben, stehen dieser Strophe in Gellerts Passionslied voran:

Ich sollte nicht, wenn Leiden dieser Erden,
Wenn Kreuz mich trifft, gelassnen Herzens werden;
Da du so viel für uns, die wir’s verschuldet,
Liebreich erduldet?

Für welche du dein Leben selbst gelassen,
Wie könnt ich sie, sie, meine Brüder, hassen?
Und nicht, wie du, wenn sie mich untertreten,
Für sie noch beten?

Jesus stirbt am Kreuz. Was für einen Sinn hat dieser Tod?

Der Wochenspruch des heutigen Karfreitags legt nahe, dabei an Jesu Sühnetod am Kreuz zu denken. Er ist für uns gestorben, für unsere Sünden – auf dass wir das ewige Leben erhalten, auf dass wir ins Reich Gottes gelangen.

Gellert gibt in seinem Lied noch eine andere Antwort. Wenn der Tod Jesu einen Sinn haben soll, dann kann sich nur daraus ergeben, dass wir,  wenn Jesus für uns gestorben ist, daraus eine Lehre ziehen. Wenn wir das Bild aus der ersten Strophe nehmen, dann könnte man diese Lehre so zusammenfassen: Wir sollen für unsere Mitmenschen zu einem Meer der Liebe werden. Wir sollen Hass nicht mit Hass vergelten, Beleidigungen nicht mit Gegenworten vergelten, sondern für die beten, die uns hassen, die uns beleidigen.

Es ist kein Zufall, dass Gellert einen neuen Würdetitel für Jesus nennt: Haupt der Glieder. In Anlehnung an 1 Kor 12 heißt das: wir sollen uns als Teil der Gemeinschaft verstehen, friedlich miteinander leben. Wie schwer das sein kann, zeigt sich darin, dass Gellert zwei der Strophen als Fragen formuliert hat. Am Schluss bleibt aber die Erkenntnis: Vergeltung ist keine christliche Tugend. Sonst wäre Jesus nicht am Kreuz gestorben.

Also hat Gott die Welt geliebt,
dass er seinen eingeborenen Sohn gab,
auf dass alle, die an ihn glauben,
nicht verloren werden,
sondern das ewige Leben haben.
Joh 3,16

Bereits erschienen:
Tag 0: Leiden und lieben 
Tag 1: Hochheilige Geschäfte 
Tag 2: Gott ist Liebe
Tag 3: Gott ist Weisheit 
Tag 4 (Gründonnerstag): Also sollt auch ihr einander die Füße waschen 

Karwoche – Tag 4 (Gründonnerstag): Also sollt auch ihr einander die Füße waschen

Wir sind in der Karwoche. Kar, das heißt so viel wie Wehklage und Trauer.

In dieser Woche will ich das Lied „Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken“ von  Christian Fürchtegott Gellert Strophe für Strophe betrachten.

Wie sehr für Gellert die Liebe Gottes mit dem Leiden verknüpft ist, haben wir bereits gesehen. Ohne das Wissen um die Liebe Gottes kann man Jesu Leidensweg nicht nachgehen. Da ist sich Gellert sicher. Der Blick zum Kreuz muss beides sein: voll Schrecken und voll Freude. Und der Blick zum Kreuz zeigt auf Gottes Weisheit.

Heute wollen wir die sechste und siebte Strophe anschauen:

Es schlägt den Stolz und mein Verdienst darnieder,
es stürzt mich tief, und es erhebt mich wieder,
lehrt mich mein Glück, macht mich aus Gottes Feinde
zu Gottes Freunde.

Da du dich selbst für mich dahingegeben,
wie könnt ich noch nach meinem Willen leben?
Und nicht vielmehr, weil ich dir angehöre,
zu deiner Ehre.

Gellerts Lied wandelt sich in diesen Strophen zu einem Glaubensbekenntnis. Zu Gottes Ehre, um Gott zu ehren, ist der Mensch bestimmt. Das meint: weniger „Selbstehre“, weniger Selbstbezogenheit. Die eigene Weisheit, der Stolz und das Wissen um den eigenen Verdienst in der Welt – all das gilt nichts mehr, es wird „darniedergeschlagen“, seiner Bedeutung beraubt.

Es gilt also, sich selbst klein zu machen, oder besser: sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen. Nicht nach dem eigenen Willen, den eigenen Bestrebungen und zielen soll man leben, sondern nach Gottes Willen. Gibt es da einen Unterschied? Für Gellert ganz sicher. Es ist ein Unterschied von Tag und Nacht. Vom Feind Gottes zum Freund Gottes.  Ein wenig zugespitzt ist das schon, gleich im Menschen, der aus weltlicher Weisheit lebt, den Feind Gottes zu erkennen. Biblisch ist es schon, denn es gilt ja, die schlechten Eigenschaften abzuwerfen. Aus Unglück wird Glück.

In der Bibel finden wir zwei unterschiedliche Geschichten zum Gründonnerstag. Einmal Jesus, der sich nach dem Abendmahl mit seinen Jüngern zurückzieht zum Gebet und einmal Jesus, der seinen Jüngern die Füße wäscht.

Hier zeigt sich, was es heißt nach Gottes Willen zu leben: Ihr sollt das tun, was ich für euch getan habe, sagt Jesus in der Erzählung der Fußwaschung zu seinen Jüngern. Und hier zeigt sich wiederum, dass das, was dem Menschen ein Ärgernis, eine Torheit ist, Gottes Weisheit zeigt.

In seinem Gedicht „Wider den Geiz“ fragt Christian Fürchtegott Gellert nach dem „Ruf des Menschen“ – eine Möglichkeit, danach zu fragen, was es heißt nicht nach dem eigenen Willen, sondern nach Gottes Willen zu leben:

Ich habe euch die Füße gewaschen –
ich, der Herr und Lehrer.
Also sollt auch ihr einander die Füße waschen.
Joh 13,14

Bereits erschienen:
Tag 0: Leiden und lieben 
Tag 1: Hochheilige Geschäfte 
Tag 2: Gott ist Liebe
Tag 3: Gott ist Weisheit 

Klar wie Wasser

Immer wieder dieses
Du sagst es
von Jesus

Keine Verteidigung
keine Erklärung
nur der Verweis auf die Schrift

Klar wie Wasser
klar wie die Wahrheit
lag alles vor ihnen

Und es wird euch ein Mensch begegnen, der trägt einen Krug mit Wasser.
Mk 14,13
Dann goss er Wasser in eine Schüssel und begann, den Jüngern die Füße zu waschen. 
Joh 13,5
Der die Hand mit mir in die Schüssel taucht, der wird mich verraten.
Mt 26,23

Da ließ er sich Wasser bringen und wusch sich vor der Volksmenge die Hände. 
Mt 27,24

Petrus (2. Teil): Der Hahn wird nicht krähen, bis du mich dreimal verleugnet hast

554632_web_r_by_dieter-schc3bctz_pixelio.de_Simon Petrus versteht sich selbst nicht mehr. Und die Welt sowieso nicht. Er hat sich Jesus so nahe gefühlt, und jetzt das.

So merkwürdig die Fußwaschung ihm auch vorgekommen ist: Er hat verstanden, was Jesus damit ausdrücken wollte. Und er hat dieses Gefühl der Gemeinschaft gehabt. Aber jetzt?

Alles ist wieder anders, alles ist wieder dunkel. Immer diese Andeutungen! Einer werde Jesus verraten – und inzwischen ist sich Petrus gar nicht mehr so sicher, ob es nicht er selbst ist, den Jesus meint. Wie oft hat er doch Jesus falsch verstanden. Wollte alles richtig machen, und Jesus hat ihn doch getadelt.

Und dann das: Jesus hat so schön gesprochen von der Liebe, von der Gemeinschaft. Aber zugleich war da eine Fremdheit da. Eine Ferne. Jesus verabschiedet sich. „Wo ich hingehe, könnt ihr nicht hinkommen“ – ich kann nicht verstehen, was Jesus damit meint. Oder vielmehr: ich will es einfach nicht verstehen.

Natürlich ist Petrus nicht entgangen, dass Jesus immer häufiger davon spricht, wie die Jünger untereinander sich verhalten sollen. Aber eine Jüngergemeinschaft ohne Jesus – daran hat Petrus bisher keinen Gedanken verschwenden wollen. Wo soll das auch hinführen? Was wären sie denn ohne ihren Herrn?

Natürlich habe ich Jesus gefragt, wo er denn hingehen will. Selbst wenn er Galiläa verlassen wollte, wäre ich bereit ihm zu folgen. Vielleicht wollte er ja in Jerusalem bleiben, so wie er hier empfangen wurde. Gut fände ich das nicht. Aber ich würde wohl trotzdem bei ihm bleiben. Und dann kam dieser Satz von Jesus: „Du kannst mir nicht folgen, wo ich hingehe. Jetzt nicht.“

Da ist mir fast der Kragen geplatzt. Natürlich kann ich ihm folgen. Was sollte mich denn daran hindern? Ich fühle mich Jesus so nahe, dass ich sogar bereit wäre, mein Leben für ihn zu opfern. Ja, das ist es, was echte Freundschaft ausmacht. Und Jesus ist doch viel mehr als ein Freund für mich geworden. Warum glaubt Jesus nur, dass er nicht bereit sei, ihm einen Freundschaftsdienst zu erweisen? So viel hat Jesus ihm gegeben, so viel hat er von ihm gelernt. Warum sollte das jetzt alles auf einmal vorbei sein?

Und dann sagt Jesus noch: Nicht wird der Hahn krähen, bis nicht du dreimal mich verleugnet hast. NICHT, NICHT! Zweimal hat Jesus dieses Wort in diesem Satz an mich verwendet. Zweimal hat er mich vor den Kopf gestoßen. Dreimal soll ich ihn verleugnen.

Ich weiß nicht, was passieren müsste, dass ich Jesus verleugne. Die Freundschaft aufkündige. Jesus vertraut mir nicht mehr. Oder will er einfach nur gehen, und mir den Abschied leichter machen? Will er mich demütigen, damit ich ihn schneller vergesse? Also: Wenn der Morgen angebrochen ist, beim dritten Hahnenschrei, dann soll alles vorbei sein?

Tief in mir wünsche ich mir, dass dann erst alles anfängt, dass Jesus recht behält, wenn er sagt, dass ich ihm später folgen kann.

Jesus antwortete ihm:
Du willst dein Leben für mich lassen?
Wahrlich, wahrlich, ich sage dir:
Der Hahn wird nicht krähen, bis du mich dreimal verleugnet hast.
Joh 13,38

Bild: Dieter Schütz/pixelio.de

 

 

 

Petrus (1. Teil): Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen

 

Simon Petrus war dabei. Aber: er versteht immer weniger. Als Menschenfischer hat er angefangen, von Jesus den Beinamen Fels erhalten.

Dass er sich Jesus besonders stark verbunden fühlte, führte immer wieder zu Irritationen: Jesus hatte eigensinnige Ansichten, die Petrus nicht verstehen konnte. Er war der Christus – und man sollte es nicht laut aussprechen. Er war der Christus – und er wollte doch in den Tod gehen. Als Satan, Gegner, hat Jesus ihn beschimpft, als er ihn davon abhalten wollte.

Und dann kommt die Fußwaschung. Jesus erniedrigt sich für sie. Petrus ist das peinlich. Natürlich widerspricht er. Natürlich soll das nicht so sein. Und dann sagt Jesus, als er protestiert, dass er sonst nicht Teil von ihm sei. Er! Kein Teil von ihm! Was für ein Unfug! Natürlich ist er ein Teil von Jesus – er kennt ihn besser als die meisten anderen Jünger.

Die anderen werden sich sicher wieder das Maul zerreißen, dass er sofort widerspricht, wenn Jesus ihnen etwas Gutes tun will. Aber es gehört sich einfach nicht. Aber scheinbar hat er falsch gedacht: Jesus will ihnen einfach nur etwas Gutes tun, will ihre Gemeinschaft so aufzeigen. Natürlich ist dann alles anders. Petrus ist hellauf begeistert. Was für eine schöne Geste. Aber reicht da der Fuß? Der Körperteil, der am schmutzigsten ist, soll gewaschen werden? Gehört er nicht mit allen seinen Körperteilen zu Jesus? Ja, er will getauft werden von ihm. So sagt er das freilich nicht – er kann einfach nicht immer so spontan reagieren. Stattdessen sagt er: Dann wasche mir auch den Kopf, die Hände, den Körper ganz. Klar musste das bei den anderen Jüngern komisch ankommen, so arrogant, elitär. Dabei war er es nicht, der seine Mutter vorschickte, um einen Platz zur linken und zur rechten Jesu im Reich Gottes zu bekommen. So anmaßend war Petrus nicht.

Er machte sich vielleicht mehr Sorgen als die anderen Jünger. Er fand vieles merkwürdig und übertrieben, was Jesus sagte. Dass man seine Familie verlassen solle als Jünger zum Beispiel. Aber für Jesus war das ein Bild, sich auf Gott zu konzentrieren. Und seine Frau half ihm ja dabei – warum hätte er sie verlassen sollen? Jesus hat ihn zumindest nie aufgefordert, das zu tun. Im Gegenteil, er war ja oft in ihrem Haus zu Gast. Und was war das für ein Erlebnis, als seine Schwiegermutter einfach so wieder gesund wurde.

Ja, er hatte Anteil an Jesu leben – und wenn das deutlich wird durch die Fußwaschung, dann kann doch auch deutlich werden, dass er ganz und gar bereit ist, Jesus zu folgen. In Wort und Tat, mit Händen und Kopf.

Und Petrus schien es, als würde Jesus verstehen, was er denkt. Die Jünger sollen künftig sich untereinander die Füße waschen. Zeigen, dass sie eine Gemeinschaft sind, das sie füreinander da sind, zusammengehören. Es war Petrus, als würde das tiefe Band, das er zu Jesus seit ihrer ersten Begegnung fühlte, nun weitergegeben. Ein wahrhaft heiliger Moment.

 

Da sprach Petrus zu ihm:
Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen!
Joh 13,8

Bild: Daniel Tibi/pixelio.de

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