Der Theologe Henning Luther hat in seinem Aufsatz „Identität und Fragment“ das Fragmentarische der Lebensbiographie betont. Nie könne ein Mensch Perfektion erreichen – er sei immer ein unvollständiges, brüchiges Wesen.
Das Leben ist nach Henning Luther kein einfaches Fortschreiten von einer Stufe zur nächsten. Es gibt die Ruinen – dazu gehört Schuld, gemachte Fehler. Dies sind die Fragmente der Vergangenheit, die zu unserem Leben gehören. Und es gibt die Sehnsucht, den Blick nach vorne, die Fragmente der Zukunft, die zur Zukunft hin ausgerichtet sind.
Die Brüche gehören für Henning Luther zum Leben. Es gibt nicht den einen, geradlinigen Lebensplan, dem man einfach nur folgen muss. Das Leben ist nicht so einfach. „Wir sind Fragmente zerbrochener Hoffnungen, zerronnener Lebenschancen, verworfener Möglichkeiten, vertaner und verspielter Chancen„, schreibt Henning Luther.
Zugleich aber leben in uns die Fragmente erträumter Möglichkeiten, neuer Lebenschancen, überraschend aufgetauchter und errungener Chancen, mannigfaltiger Hoffnungen. Der Mensch ist auf die Zukunft aus, lebt nicht nur aus der Vergangenheit heraus.
Wir Menschen sind zerbrechliche Wesen. Wir tragen unsere Vergangenheit mit uns herum wie auch unsere Erwartungen an die kommende Zeit.
„Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist„, heißt es im Wochenspruch für die kommende Woche. Verloren ist viel, wir vermissen all das, was uns zur Perfektion fehlt. Wir sehen die Narben der Vergangenheit, die wir mit uns tragen, wir sehen Hoffnungen, die wir aufgegeben haben, verlorene Träume.
Gott weiß um all unsere Vorläufigkeit. Er kann uns die Angst und die Sorge nehmen, dass unser Leben zerbricht.
Der Menschensohn ist gekommen,
zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.
Lk 19,10
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