Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben?

sheep-4296302_1280„Vom Weltgericht“ heißt die Rede, die Jesus im Matthäus-Evangelium hält. Von Böcken und Schafen spricht Jesus. Von den Guten und den Schlechten. Vor allem aber spricht Jesus darüber, was die Guten ausmacht.

Die Guten wissen gar nicht, dass sie etwas Gutes getan haben. Sie tun es insgeheim, ohne viel nachzudenken. Quasi ganz automatisch. So wie es Jesus in der Bergpredigt schreibt. Wer betet, wer fastet, wer Almosen gibt: er tut es insgeheim, niemals öffentlich. Sie werden so zu Erben des Reichs Gottes.

Wie also geht es zu, in Gottes angebrochenem Reich? Barmherzig, kurz gesagt. Denn warum sollte die Barmherzigkeit, die ins Reich Gottes führt, nicht auch im Reich Gottes selbst gültig sein? Läuft nicht der Vater seinem heimkehrenden Sohn entgegen? Kommen nicht alle Arbeiter im Weinberg zu Lohn, egal wie viel sie gearbeitet haben?

Was ist hier los, bei dem Blick aufs Weltgericht? Warum gilt hier nicht mehr, was fünf Kapitel zuvor im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg noch gesagt wurde? Warum auf einmal diese Unterscheidungswut in Gut und Böse, in Bock und Schaf?

Es geht dem Ende zu. Die Zeit drängt, so scheint es. Die klugen und törichten Jungfrauen zeigen es klar: man kann auch zu spät dran sein, wenn man ins Reich Gottes will. Die Katastrophe bahnt sich an und in diesem Licht verschwinden die Schattierungen. Es gibt nur noch Hell und Dunkel.

Es ist wie wenn man nach einer überstandenen schweren Krankheit plötzlich die Kriterien des Lebens anders setzt. Man lässt das Leben nicht mehr einfach weiterlaufen, man lenkt, wird klarer und auch radikaler in dem, was man noch will und was nun eben nicht.

Die Rede vom Weltgericht verweist auf so einen radikalen Lebensmoment. Es geht Jesus um sein Erbe. Er ist es, an dem sie sich reiben, an dem sie sich messen. In ihm leben sie, wenn sie besuchen, sättigen, ent-dürsten, ankleiden und noch viel mehr. Und wenn es ums Erbe geht heißt es, klare Ansagen zu machen. Kümmre dich um deine Mitmenschen, lautet die wichtigste. Die Werke der Barmherzigkeit, sie sind das gelebte Abendmahl, das Jesus seinen Jüngern mitgab.

Wort und Tat gehören zusammen, heißt es bei Jakobus. Jesus weiß, wie wenig das der Fall ist. So kann es uns nicht überraschen, wenn Jesus Gut und Böse so unversöhnlich gegenüberstellt, ganz ohne Vergebung. Und doch müssen wir die Hoffnung darauf nicht aufgeben. Klar ist aber: das Erbe verlangt etwas von uns.

Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen:
Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben?
Oder durstig und haben dir zu trinken gegeben?

Mt 25, 37

Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi.
Ein jeder empfange nach dem, was er getan hat im Leib,
sei es gut oder böse. 

2. Kor 5, 10

Texte zum Wochenspruch für den vorletzten Sonntag des Kirchenjahres aus früheren Jahren finden Sie hier und hier. 

Bild: MGosv1830/pixabay.com

Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden

Ein neuer Tag beginnt. Etwas Neues bricht an.

Und das, obwohl nach Jesu Tod alles weitergeht wie bisher, mir nichts dir nichts.

Die Auferstehung Jesu lässt eine neue Religion erstehen – aber keine neue Welt. Krieg, Leid, Gewalt, Hass und Verachtung: geringer geworden ist nichts davon. Aber immerhin: Wir wissen vom allumfassenden Frieden, von Gerechtigkeit und von der tiefen Liebe zum Nächsten, der in jedem von uns ist, ganz besonders aber in dem Armen und Schwachen.

Ist es zu viel verlangt, dass wir das aushalten? Ist es zu viel verlangt, dass wir auf Paradies – vorerst zumindest – verzichten?

Was die Jünger nach Jesu Tod erlebt und erfahren haben, ihre Erkenntnis, was Jesus wollte, ihr Staunen über Tod und Auferstehung – uns ist das fern. Zu oft haben wir Passion und Ostern gefeiert, als dass uns noch ein Schauer über den Rücken läuft, wenn wir die Geschichten von Kreuz und Auferstehung hören.

Uns bleibt, in unserem Leben nach dem zu sehen, was neu ist, nach dem zu suchen, was Veränderung braucht. Packen wir’s an!

Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur;
das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.

2 Kor 5,17

Karwoche – Tag 6 (Ostersamstag):

Wir sind am letzten Tag der Karwoche. Kar, das heißt so viel wie Wehklage und Trauer.

In dieser Woche will ich das Lied „Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken“ von  Christian Fürchtegott Gellert Strophe für Strophe betrachten. Auch heute, am Ostersamstag. Es ist der letzte Teil zu diesem Lied. Der Blick geht deshalb heute auf die letzten beiden Strophen, die im Gesangbuch zu finden sind (in der ursprünglichen Fassung hat Gellerts Passionslied 22 Strophen).

Wie sehr für Gellert die Liebe Gottes mit dem Leiden verknüpft ist, haben wir bereits gesehen. Ohne das Wissen um die Liebe Gottes kann man Jesu Leidensweg nicht nachgehen. Da ist sich Gellert sicher. Der Blick zum Kreuz muss beides sein: voll Schrecken und voll Freude. Und der Blick zum Kreuz zeigt auf Gottes Weisheit. Damit Jesu Tod nicht umsonst ist, legt Gellert viel Wert darauf, dass es an uns Menschen ist, Jesus nachzufolgen.

Den Schluss aber bilden zwei Strophen, die die Bedeutung des Todes Jesu für die Menschen zusammenfassen.

Schauen wir zunächst die neunte Strophe an:

Unendlich Glück! Du littest uns zugute.
Ich bin versöhnt in deinem teuren Blute.
Du hast mein Heil, da du für mich gestorben,
am Kreuz erworben.

Es ist nicht das erste Mal, dass Gellert in seinem Passionslied das Wort Glück verwendet. Das klingt so gar nicht theologisch, im Gegensatz zu den folgenden Worten. Die persönliche Erfahrung ist Gellert wichtig – deshalb hat er für sein Passionslied auch die Ich-Form verwendet. Was habe ICH mit Jesu Tod am Kreuz zu tun? Was gibt er mir? Glück, sagt Gellert.

Was die ersten Strophen des Liedes noch durchzogen hat – Freude und Schrecken gleichermaßen, Entsetzen und Entzücken gleichermaßen – hat sich jetzt zum Glück hin verschoben. Das zwiespältige Gefühl, das die ersten Strophen prägt, sowie die Feststellung, dass Jesu Leiden und Sterben die menschlichen Gedanken übersteige (diese Strophe hat allerdings nicht Eingang ins Gesangbuch gefunden), all das mündet in Glücksgefühl.

Dass dieses Glücksgefühl kein Gefühl eines Moments ist, betont Gellert in der letzten Strophe:

Wenn endlich, Herr, mich meine Sünden kränken,
so lass dein Kreuz mir wieder Ruhe schenken.
Dein Kreuz, dies sei, wenn ich den Tod einst leide,
mir Fried und Freude.

Wenn die Sünden den Menschen krank machen, wenn sie einem Sorgen bereiten, wenn man sich dem Leben nicht gewachsen fühlt, wenn man sich viel zu unperfekt empfindet, wenn man im Sterben liegt – dann kann man von dem Glück zehren, das in Jesu Kreuzestod zu finden ist. Das Glück, dass der Mensch sich auf Vergebung von Schuld verlassen kann. Auf die Befreiung von irdischen Fesseln, auf Gottes Liebe und Gnade. Auf Gottes Gerechtigkeit. Und dass der Tod nicht das letzte Wort behält.

Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich
und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu
und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung.
So sind wir nun Botschafter an Christi statt,
denn Gott ermahnt durch uns;
so bitten wir nun an Christi statt:
Lasst euch versöhnen mit Gott! 

2 Kor 5,19f. 

Christus spricht: Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.
Offb 1,18

Bereits erschienen:
Tag 0: Leiden und lieben 
Tag 1: Hochheilige Geschäfte 
Tag 2: Gott ist Liebe
Tag 3: Gott ist Weisheit 
Tag 4 (Gründonnerstag): Also sollt auch ihr einander die Füße waschen 
Tag 5 (Karfreitag): Aufs Vergelten verzichten 

Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden

IMG_20200503_165606Die Namen unserer Sonntage rufen uns zu, zu feiern. Freuen sollen wir uns über das neue Leben in Christus. Jubilate! Singen sollen wir unserem Herrn. Kantate!

Eingebettet ist diese Freude in das Aufblühen der Natur. Jetzt wo alles wächst und gedeiht, besonders wenn der ersehnte Regen fällt, kann man den Neubeginn der Natur Tag für Tag beobachten.

Diese Aufbruchstimmung nimmt nun Paulus und überträgt sie auf den Menschen. Mit dem Glauben an Jesus Christus verbindet Paulus kein bloßes Bekenntnis, sondern nichts weniger als ein neues Leben. Von der Wiedergeburt in Jesus Christus spricht Paulus sogar. Das ist zunächst einmal eine Verheißung. Ja: ein neues Leben ist möglich. Ja: wir wollen Gemeinschaft leben. Ja: wir wollen die Welt verändern.

Dass diese Verheißung auch zur Last werden kann, zeigt sich in den vielen Anfragen, die die Gemeinden zu ihrem Gemeindeleben an Paulus stellen. Nicht immer lässt sich das neue Leben einfach so annehmen, nicht immer ist klar, worin das Neue überhaupt bestehen soll. Nicht immer ist man sich darüber einig, wie man gemeinsam leben will.

Auch wenn die Auseinandersetzungen innerhalb der ersten christlichen Gemeinden heute weit weg sind, so bleibt doch der Druck, dass man sich als Christ immer etwas besser verhalten soll. Der Sonntag Jubilate ruft uns in Erinnerung, dass in Jesus Christus zu leben zuallererst eine Verheißung ist und keine Pflicht. Freuen wir uns alle heute einmal darüber, Christ zu sein!

 

Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur;
das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.

2 Kor 5,17

Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi

chair-2453335_1280Diese Woche erzählte mir eine Bekannte, sie habe ihr Kind vom Religionsunterricht abgemeldet. Was der katholische Religionslehrer im Unterricht über Schuld und Sünde und das Fegefeuer erzählte, habe ihrem Kind Angst gemacht.

Der heutige Wochenspruch wirkt auch wie ein Angstmacher. Das göttliche Gericht wartet auf dich… Nun wissen wir aber, wer auf dem Richterstuhl sitzt. Und wir wissen, dass Glaube Vertrauen bedeutet.

Im Wissen um Gottes Gnade gibt es keinen Grund, voll Angst auf Gottes Gericht zu warten. Warum aber ist die Vorstellung vom Gottesgericht im Christentum nicht abgelöst worden von der Vorstellung einer umfassenden Gnade? Warum hat sich die Gerichtsvorstellung auch bei Paulus noch gehalten?

Meine Antwort darauf: weil die Gerichtsvorstellung uns dazu verhelfen kann, unserem natürlichen Egoismus immer wieder von Neuem den Kampf anzusagen. Und das gelingt am besten, wenn man für sich und die Welt Verantwortung übernimmt.

Worauf kann ich stolz sein? Was habe ich auf dieser Welt bewirkt? Davon sollten wir am Jüngsten Gericht erzählen – nicht uns verteidigen & rechtfertigen, sondern erzählen, was uns im Leben wichtig war. Der Richterstuhl Christi muss ein Schaukelstuhl sein.

 

Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi.
2 Kor 5,10a

Bild: Engin Akyurt/pixabay.com

Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden

Ach ja, das Neue. Die Veränderung.

Wie oft wird davon im Gottesdienst gesprochen. Wie oft singt man darüber.

„Erneure mich, o ewigs Licht“

– ein wunderschönes Lied, aber: wie oft kann man sich denn erneuern, verändern, wie oft kann man wiedergeboren werden als neuer Mensch? Braucht es die eine Berufung, das eine Bekenntnis zu Gott, die Taufe, die uns erneuert? Oder ist Erneuerung ein Prozess, der nie aufhört, uns immer beschäftigt?

Für die ersten Christen war die Erneuerung ein wichtiges Thema. So wichtig, dass sie sogar von der Wiedergeburt gesprochen haben. Man werde als neuer Mensch wiedergeboren, als ein Mensch mit neuen Eigenschaften. Man muss einen Unterschied merken zwischen dem Leben vorher und dem Leben nachher. Christ zu sein macht einen Unterschied. Ein Anspruch, aber auch eine Herausforderung an die Christen, an die Gemeinden damals.

Wenn das so einfach wäre mit der Erneuerung, dann hätten die ersten Christen vermutlich gar nicht so viel darüber geredet und geschrieben. Wir Christen haben in der Regel heute nicht das eine Bekenntnis, die eine Erweckung, die uns zu Christen macht. Wir wachsen zumeist in den Glauben hinein. Erst langsam beginnt sich die Zeit wieder zu ändern, es sieht so aus, dass das Christentum seine Vormachtstellung einbüßen könnte. Dann wäre es denkbar, dass die eine Taufe für die eine Veränderung steht.

Erneuerung für mich: so etwas wie eine Mahnung, eine Erinnerung, ein Hinweis, dass mein Leben nicht so sein muss wie es ist. Dass ich die Freiheit habe, Dinge zu ändern. Es sind die kleinen Veränderungen, die mir wichtig sind, nicht der eine große Knall.

 

erneuerung 

Ich lebe
jeden tag neu

bin der alte
lebe alt lebe neu

bin der neue
lebe neu lebe alt

ich lebe
jeden tag alt

jeden tag älter
jeden tag neuer

einmal
lebe ich von neuem
voll mut
voll freiheit
voll liebe
voll offenheit
voll wagnis
voll elan

jeden tag
lebe ich
etwas mut
etwas freiheit
etwas liebe
etwas offenheit
etwas wagnis
etwas elan

Der Vogel in meinem Garten
lebt jeden Tag neu.

Meine Nähe sucht er erst
wenn das Futterhaus leer ist. 

Ich fülle die Sonnenblumenkerne nach und weiß:
So unabhängig bin ich nicht.

 

Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; 
das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. 
2 Kor 5, 17

Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, auf dass ein jeder empfange nach dem, was er getan hat im Leib, es sei gut oder böse

50704_web_R_by_jimby_pixelio.deIn dieser Woche ist der Buß- und Bettag. Ein Feiertag, der – mit Ausnahme des Bundeslandes Sachsen – kein Feiertag mehr ist. Ein Tag, der zum Nachdenken anregen sollte, dazu, sich auf sich selbst zu besinnen.

Nein, man braucht keinen Feiertag, um nachzudenken. Wirklich nicht. Wie sehr aber das Nachdenken, das kritische Hinterfragen und – in Folge – das Bereuen zur Religion gehört, wird deutlich, wenn man klar macht, in wie vielen Religion Reue und Buße zu den zentralen Glaubenssätzen gehören. Um dies in Erinnerung zu halten, ist der Buß- und Bettag zu einem Teil des christlichen Kirchenjahres geworden.

Ja, es sind oft andere Anlässe und andere Zeiten, durch die man angeregt wird, sein Leben einmal auf den Kopf zu stellen und von oben zu betrachten. Und oft wird es einem eher aufgezwungen als dass man sich selbst dazu entscheidet. Durch Veränderungen wie eine hereinbrechende Arbeitslosigkeit, wie das Ende einer Liebe, wie der Start in ein neues Leben nach einem Umzug. Das sind alles Anlässe, die nicht immer produktiv sind.

Vielleicht ist es daher gar nicht so verkehrt, einen festen Termin zu nehmen, um mit der Taschenlampe in sein Leben zu leuchten. Zu schauen, was da alles am Wachsen und Gedeihen ist, aber auch den Blick hinter die Kulisse zu wagen. „Offenbar werden“ nennt Paulus das im Brief an die Korinther.

 

Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi,
auf dass ein jeder empfange nach dem, was er getan hat im Leib,
es sei gut oder böse.

2 Kor 5,10

Bildquelle:
Skulptur des Denkers vor dem Friedrichsbau in Stuttgart: jimby/pixelio.de

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