Da kommt etwas auf uns zu. So gewichtig wie ein schwer beladenes Containerschiff. Wuchtig und gewaltig liegt es im Ozean. Imposant.
Es ist nichts, was uns Angst machen müsste. Keine Lasten, die wir schultern müssen. Keine Arbeit, die auf uns wartet. Auch wenn das Schiff randvoll beladen ist.
Es kommt ein Schiff, geladen
bis an sein’ höchsten Bord,
trägt Gottes Sohn voll Gnaden,
des Vaters ewigs Wort.
Die Schiffsladung: Gnade, die nur darauf wartet, ausgeladen zu werden. Und, in Anspielung auf das Johannes-Evangelium: Jesus, Gottes Wort – das Wort wird „Fleisch“. Noch aber ist das Schiff noch nicht am Hafen, noch ist es nicht bei uns angekommen.
Das Schiff geht still im Triebe,
es trägt ein teure Last;
das Segel ist die Liebe,
der Heilig Geist der Mast.
Schauen wir uns dieses Schiff mit seiner wertvollen Ladung, der „teuren Last“, näher an. Segel und Mast hat es. Das Segel, das das Schiff vorantreibt, ist die Liebe. Die Liebe Gottes zu den Menschen. Das Segel ist am Mast befestigt, die Liebe gehört zum Heiligen Geist, ist in ihm fest verankert. So ist der Heilige Geist nicht das Steuerrad, das die Richtung vorgibt, wie man vielleicht erwartet hätte, sondern der feste Haltepunkt der Liebe. Ein schönes Bild!
Lassen wir es ankommen:
Der Anker haft’ auf Erden,
da ist das Schiff am Land.
Das Wort will Fleisch uns werden,
der Sohn ist uns gesandt.
Nun also ist das Schiff im Hafen fest vertäut, der Anker heruntergelassen. Und doch ist es noch ein Moment des Wartens. Das Wort will Fleisch werden, es ist noch nicht soweit, die Gangway ist noch nicht heruntergelassen.
Beschauen wir uns die kostbare Fracht:
Zu Bethlehem geboren
im Stall ein Kindelein,
gibt sich für uns verloren;
gelobet muss es sein.
Das also ist die Fracht, eine gar leichte: ein „Kindelein“. Die Schiffsmetaphorik hat ausgedient, nun geht es ans Eingemachte, an den theologischen, mahnenden Teil:
Und wer dies Kind mit Freuden
umfangen, küssen will,
muss vorher mit ihm leiden
groß Pein und Marter viel,
Von der Geburt ist der bogen zu Jesu Tod geschlagen. Die Frachtpapiere werden genau inspiziert. Start- und Zielhafen gemeinsam in den Blick genommen. Zum Christsein, sagt das Lied, das aus dem Mittelalter stammt, gehört das Angenehme, das Umarmen und Küssen, gemeinsam mit Leid und Schmerz. Das eine gibt es nicht ohne das andere.
danach mit ihm auch sterben
und geistlich auferstehn,
das ewig Leben erben,
wie an ihm ist geschehn.
Und schließlich: mit Jesus sterben, mit Jesus auferstehn, genauer: „geistlich auferstehn“, wie es Paulus umschrieben hat. Die Geburt des Kindeleins ist nichts anderes als das Versprechen auf eine Neugeburt, ein Leben nach dem Tod. Also: keine abstrakte Theologie, kein Verweis auf die Sühne, sondern der Blick auf den Inspizienten der Ladung: er hat eine Verantwortung, aber auch ein Versprechen: das ewige Leben.
Maria, Gottes Mutter,
gelobet musst du sein.
Jesus ist unser Bruder,
das liebe Kindelein.
In den evangelischen Gesangbüchern fehlt diese letzte Strophe. Die Auflösung, wenn man so will, die das Mittelalter parat hat: Maria ist das Schiff, das Jesus in die Welt bringt, die Trägerin der „teuren Last“. Und auch hier richtet sich der Blick des Liedes noch einmal auf seinen Leser, der am Hafen steht und die Fracht begutachtet. Jesus, das Kindelein, der Auferstandene: er ist Bruder. So modern das klingt, so alt ist die Bezeichnung für Jesus als Bruder. Was du einem deiner Brüder getan hast, das hast du mir getan, sagt Jesus.
Heute, am dritten Advent, ist das unser Versprechen, unsere „teure Last“.
Bereitet dem Herrn den Weg,
denn siehe, der Herr kommt gewaltig.
Jes 40,3.10
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