Meine Seele ist zu Tode betrübt. Bleibt hier und wacht!

Jesus betet.

Gleich mehrmals schlafen die Jünger ein, während Jesus betet. Dreimal. Dreimal kräht später dann der Hahn.

Die Augen fallen den Jüngern zu. So lange betet Jesus. So spät ist es geworden.

Furcht und Angst haben Jesus im Griff. Er zieht sich allein zurück. Drei seiner Jünger sagt er, sie sollen wachen. Drei. Wieder diese Zahl. Es ist keine Glückszahl. Die Unterstützung bleibt aus. Jesus betet nicht nur allein, um die Zeit zu überstehen. Er bleibt auch allein. So lange, bis er sagt:

Die Stunde ist gekommen.

Meine Seele ist zu Tode betrübt.
Bleibt hier und wacht!

Mk 14,34

Karwoche – Tag 5 (Karfreitag): Aufs Vergelten verzichten

Wir sind in der Karwoche. Kar, das heißt so viel wie Wehklage und Trauer.

In dieser Woche will ich das Lied „Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken“ von  Christian Fürchtegott Gellert Strophe für Strophe betrachten. Auch heute, am Karfreitag.

Wie sehr für Gellert die Liebe Gottes mit dem Leiden verknüpft ist, haben wir bereits gesehen. Ohne das Wissen um die Liebe Gottes kann man Jesu Leidensweg nicht nachgehen. Da ist sich Gellert sicher. Der Blick zum Kreuz muss beides sein: voll Schrecken und voll Freude. Und der Blick zum Kreuz zeigt auf Gottes Weisheit.

Heute wollen wir die achte Strophe anschauen:

Ich will nicht Hass mit gleichem Hass vergelten,
wenn man mich schilt, nicht rächend widerschelten,
du Heiliger, du Herr und Haupt der Glieder,
schaltst auch nicht wider.

Zwei Strophen, die nicht den Weg ins evangelische Gesangbuch gefunden haben, stehen dieser Strophe in Gellerts Passionslied voran:

Ich sollte nicht, wenn Leiden dieser Erden,
Wenn Kreuz mich trifft, gelassnen Herzens werden;
Da du so viel für uns, die wir’s verschuldet,
Liebreich erduldet?

Für welche du dein Leben selbst gelassen,
Wie könnt ich sie, sie, meine Brüder, hassen?
Und nicht, wie du, wenn sie mich untertreten,
Für sie noch beten?

Jesus stirbt am Kreuz. Was für einen Sinn hat dieser Tod?

Der Wochenspruch des heutigen Karfreitags legt nahe, dabei an Jesu Sühnetod am Kreuz zu denken. Er ist für uns gestorben, für unsere Sünden – auf dass wir das ewige Leben erhalten, auf dass wir ins Reich Gottes gelangen.

Gellert gibt in seinem Lied noch eine andere Antwort. Wenn der Tod Jesu einen Sinn haben soll, dann kann sich nur daraus ergeben, dass wir,  wenn Jesus für uns gestorben ist, daraus eine Lehre ziehen. Wenn wir das Bild aus der ersten Strophe nehmen, dann könnte man diese Lehre so zusammenfassen: Wir sollen für unsere Mitmenschen zu einem Meer der Liebe werden. Wir sollen Hass nicht mit Hass vergelten, Beleidigungen nicht mit Gegenworten vergelten, sondern für die beten, die uns hassen, die uns beleidigen.

Es ist kein Zufall, dass Gellert einen neuen Würdetitel für Jesus nennt: Haupt der Glieder. In Anlehnung an 1 Kor 12 heißt das: wir sollen uns als Teil der Gemeinschaft verstehen, friedlich miteinander leben. Wie schwer das sein kann, zeigt sich darin, dass Gellert zwei der Strophen als Fragen formuliert hat. Am Schluss bleibt aber die Erkenntnis: Vergeltung ist keine christliche Tugend. Sonst wäre Jesus nicht am Kreuz gestorben.

Also hat Gott die Welt geliebt,
dass er seinen eingeborenen Sohn gab,
auf dass alle, die an ihn glauben,
nicht verloren werden,
sondern das ewige Leben haben.
Joh 3,16

Bereits erschienen:
Tag 0: Leiden und lieben 
Tag 1: Hochheilige Geschäfte 
Tag 2: Gott ist Liebe
Tag 3: Gott ist Weisheit 
Tag 4 (Gründonnerstag): Also sollt auch ihr einander die Füße waschen 

Karwoche – Tag 4 (Gründonnerstag): Also sollt auch ihr einander die Füße waschen

Wir sind in der Karwoche. Kar, das heißt so viel wie Wehklage und Trauer.

In dieser Woche will ich das Lied „Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken“ von  Christian Fürchtegott Gellert Strophe für Strophe betrachten.

Wie sehr für Gellert die Liebe Gottes mit dem Leiden verknüpft ist, haben wir bereits gesehen. Ohne das Wissen um die Liebe Gottes kann man Jesu Leidensweg nicht nachgehen. Da ist sich Gellert sicher. Der Blick zum Kreuz muss beides sein: voll Schrecken und voll Freude. Und der Blick zum Kreuz zeigt auf Gottes Weisheit.

Heute wollen wir die sechste und siebte Strophe anschauen:

Es schlägt den Stolz und mein Verdienst darnieder,
es stürzt mich tief, und es erhebt mich wieder,
lehrt mich mein Glück, macht mich aus Gottes Feinde
zu Gottes Freunde.

Da du dich selbst für mich dahingegeben,
wie könnt ich noch nach meinem Willen leben?
Und nicht vielmehr, weil ich dir angehöre,
zu deiner Ehre.

Gellerts Lied wandelt sich in diesen Strophen zu einem Glaubensbekenntnis. Zu Gottes Ehre, um Gott zu ehren, ist der Mensch bestimmt. Das meint: weniger „Selbstehre“, weniger Selbstbezogenheit. Die eigene Weisheit, der Stolz und das Wissen um den eigenen Verdienst in der Welt – all das gilt nichts mehr, es wird „darniedergeschlagen“, seiner Bedeutung beraubt.

Es gilt also, sich selbst klein zu machen, oder besser: sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen. Nicht nach dem eigenen Willen, den eigenen Bestrebungen und zielen soll man leben, sondern nach Gottes Willen. Gibt es da einen Unterschied? Für Gellert ganz sicher. Es ist ein Unterschied von Tag und Nacht. Vom Feind Gottes zum Freund Gottes.  Ein wenig zugespitzt ist das schon, gleich im Menschen, der aus weltlicher Weisheit lebt, den Feind Gottes zu erkennen. Biblisch ist es schon, denn es gilt ja, die schlechten Eigenschaften abzuwerfen. Aus Unglück wird Glück.

In der Bibel finden wir zwei unterschiedliche Geschichten zum Gründonnerstag. Einmal Jesus, der sich nach dem Abendmahl mit seinen Jüngern zurückzieht zum Gebet und einmal Jesus, der seinen Jüngern die Füße wäscht.

Hier zeigt sich, was es heißt nach Gottes Willen zu leben: Ihr sollt das tun, was ich für euch getan habe, sagt Jesus in der Erzählung der Fußwaschung zu seinen Jüngern. Und hier zeigt sich wiederum, dass das, was dem Menschen ein Ärgernis, eine Torheit ist, Gottes Weisheit zeigt.

In seinem Gedicht „Wider den Geiz“ fragt Christian Fürchtegott Gellert nach dem „Ruf des Menschen“ – eine Möglichkeit, danach zu fragen, was es heißt nicht nach dem eigenen Willen, sondern nach Gottes Willen zu leben:

Ich habe euch die Füße gewaschen –
ich, der Herr und Lehrer.
Also sollt auch ihr einander die Füße waschen.
Joh 13,14

Bereits erschienen:
Tag 0: Leiden und lieben 
Tag 1: Hochheilige Geschäfte 
Tag 2: Gott ist Liebe
Tag 3: Gott ist Weisheit 

Weinrot

Bei einem Fremden
getroffen auf der Straße
der Mann mit dem Wasserkrug
bereiten die Jünger das Passamahl
am ersten Tag der ungesäuerten Brote

Vor dem Lammbraten
das Tischgebet
der Dank über das Brot
der Dank über den Wein
Segen und Lob Gottes

Mit seinen Freunden
feiert Jesus das Mahl
zum letzten Mal

Das nächste Mal dann
im Reich Gottes
sagt Jesus
zum weinroten Kelch

Nimm diesen Kelch von mir
betet Jesus später
dreimal

Und er nahm den Kelch, dankte und sprach: Nehmt ihn und teilt ihn unter euch.
Lk22,17

Gründonnerstag – neu erzählt

„Halten Sie Abstand!“, stand auf den Schildern. Als Johannes in die Stadt hineinging, fiel ihm auf, wie viele dieser Schilder inzwischen aufgestellt waren. Eine Lanzenbreite Abstand, das war die Vorgabe, die die Römer machten. Dass die Römer dies resolut durchsetzten, davon musste sich Johannes nicht mit eigenen Augen überzeugen. Das wusste er.

Freilich gestalteten sich die Vorbereitungen des Pessach-Mahls umso schwieriger. Nicht alle Läden hatten geöffnet und überall dauerte das Einkaufen länger als üblich. Wo die Römer nicht selbst kontrollierten, hatten sie ihre Handlanger. Sich nicht an die Regeln zu halten, war nicht zu empfehlen.

Dass Gottesdienste verboten waren: die Bevölkerung schob es den Römern in die Schuhe. Dass 13 Personen sich treffen, um gemeinsam zu essen: verboten war das nicht, wo diese 13 Personen sowieso sonst auch zusammen waren, eine Wohngemeinschaft quasi. Aber wie die Römer dieses Treffen beurteilten, konnte man im Voraus nicht wissen. Johannes war sich nicht sicher, ob auch wirklich alle Jünger am Abend dabei sein würden. Es war nicht ohne, sich so zu treffen.

Den Mann, der ihnen den Raum zur Verfügung stellte, traf er beim Wasserholen an. Erst als sie in seinem Haus waren, wurde ihm bewusst, dass das kein gewöhnlicher Mann sein konnte. Zu groß war das Haus dafür, zu römisch seine Diener. Ja, Johannes konnte es kaum glauben: sie waren zu Gast bei einem römischen Hauptmann.

Im Innenhof war schon alles vorbereitet. Die Polster lagen in großem Abstand voneinander auf dem Boden. Johannes wurde bewusst, dass von dem vielen, was er glaubte, noch vor Einbruch der Dunkelheit erledigen zu müssen, das meiste schon getan war. Ein paar Besorgungen machte Johannes noch selbst, obwohl die Diener diese auch übernommen hätten, schließlich wollte er ja das Mahl vorbereiten, wie Jesus es ihn geheißen hatte. Da konnte er nicht einfach nichts tun.

Doch kaum, dass sich Johannes niedersetzte, kam Jesus durch das Tor in den Innenhof. Er kam allein. Johannes‘ Bericht, was alles schon vorbereitet war, hörte er kaum zu. Und als er den Gastgeber sah, verschwand er auch schon. Johannes konnte hören, dass sie über das Reich Gottes sprachen, über die Zeit, die reif sei. Über Schwerter, die vielleicht nötig seien. Schließlich redete irgendwann nur noch Jesus und der Hauptmann hörte aufmerksam zu.

Nach und nach kamen die Jünger an. Petrus als erster. Er konnte es nicht lassen, zu kontrollieren, ob wirklich alles richtig gemacht war. Doch er war von der Anwesenheit des Römers so eingeschüchtert, dass er nie gewagt hätte, sich über etwas zu beschweren. Überhaupt war eine eigenartige Stimmung. Anspannung traf es nur zum Teil.

Jesus schien fast schon überrascht zu sein, dass alle kamen. So wird es nicht bleiben, sagte er. Alles wird sich ändern. Das muss so sein. Auch ihr werdet nicht zusammenbleiben.

Beim Essen aber war es fast wieder wie früher. Es war schön zu sehen, wie Jesus das Brot brach und den Segen über den Wein sprach. Es wurde gelacht, Jesus begann zu erzählen, was die Geschichte vom Auszug der Israeliten aus Ägypten bedeutet. Dass wir Jünger nicht so unzuverlässig sein sollten wie die Israeliten damals. Es gelte, die Zeichen zu verstehen. Abrupt schloss Jesus seine Ausführungen. Stimmte den Lobgesang an und sagte, kaum dass der Gesang geendet hatte, wir sollten aufbrechen. Steht auf, lasst uns gehen, mehr sagte Jesus nicht.

Erst am Ölberg sprach Jesus wieder vertraut wie früher. Er sprach vom Bund Gottes mit den Israeliten am Sinai, und dann sprach er davon, dass es diesen Bund heute noch gebe. Dass es einen Bund zwischen ihm und uns gebe. Zwischen ihm und den Menschen. Davon, dass sich Himmel und Erde berühren. Mit ihm.

Jesus, so viel wusste Johannes, auch wenn er vieles von dem, was Jesus sagte, nicht verstand, hielt vom Kontaktverbot nicht viel. Er tat immer so, als ob es ihn nichts angehe, verstieß aber absichtlich nicht dagegen. Es musste einen anderen Grund geben, weshalb Jesus so viel von Verbindungen sprach. Von der Verbindung zwischen Gott und den Menschen, von der Güte Gottes, die alle Übertretungen der Menschen bedecke, von der Verbindung zwischen ihm und Gott, den er Abba nannte, von der Verbindung zwischen ihm uns uns, das Mahl, das wir gemeinsam feierten, nannte er einen neuen Bund, wir seien nun wie die Israeliten in Ägypten, wir würden uns bald allein gelassen fühlen, auf uns allein gestellt und sollten deshalb umso mehr füreinander da sein, Diener untereinander, keine Herren. Über all das dachte Johannes nach. Auch darüber, dass Jesus mehrmals sagte, sie sollten auf der Hut sein. Wach sein, nicht schlafen! Als ob das Schlafen nicht zum Menschen gehöre.

„Ihr seid nie allein“, sagte Jesus, als Judas vom Wasserlassen zurückkam.  Und dann, dann ging alles ziemlich schnell. Viel zu schnell für Johannes.

„Es war ein ereignisreicher Nachrichtentag“, hieß es in den Spätnachrichten.

 

 

Verweisen möchte ich abschließend – für alle, die sich eher einen „klassischen“ Impuls wünschen – auf eine kurze Andacht über die Bedeutung des Abendmahls von dem evangelischen Pfarrer und Liedermacher Clemens Bittlinger zu seinem Lied „Ich bin das Brot“ :

 

Er hat ein Gedächtnis gestiftet seiner Wunder, der gnädige und barmherzige HERR.
Psalm 111,4

Petrus (1. Teil): Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen

 

Simon Petrus war dabei. Aber: er versteht immer weniger. Als Menschenfischer hat er angefangen, von Jesus den Beinamen Fels erhalten.

Dass er sich Jesus besonders stark verbunden fühlte, führte immer wieder zu Irritationen: Jesus hatte eigensinnige Ansichten, die Petrus nicht verstehen konnte. Er war der Christus – und man sollte es nicht laut aussprechen. Er war der Christus – und er wollte doch in den Tod gehen. Als Satan, Gegner, hat Jesus ihn beschimpft, als er ihn davon abhalten wollte.

Und dann kommt die Fußwaschung. Jesus erniedrigt sich für sie. Petrus ist das peinlich. Natürlich widerspricht er. Natürlich soll das nicht so sein. Und dann sagt Jesus, als er protestiert, dass er sonst nicht Teil von ihm sei. Er! Kein Teil von ihm! Was für ein Unfug! Natürlich ist er ein Teil von Jesus – er kennt ihn besser als die meisten anderen Jünger.

Die anderen werden sich sicher wieder das Maul zerreißen, dass er sofort widerspricht, wenn Jesus ihnen etwas Gutes tun will. Aber es gehört sich einfach nicht. Aber scheinbar hat er falsch gedacht: Jesus will ihnen einfach nur etwas Gutes tun, will ihre Gemeinschaft so aufzeigen. Natürlich ist dann alles anders. Petrus ist hellauf begeistert. Was für eine schöne Geste. Aber reicht da der Fuß? Der Körperteil, der am schmutzigsten ist, soll gewaschen werden? Gehört er nicht mit allen seinen Körperteilen zu Jesus? Ja, er will getauft werden von ihm. So sagt er das freilich nicht – er kann einfach nicht immer so spontan reagieren. Stattdessen sagt er: Dann wasche mir auch den Kopf, die Hände, den Körper ganz. Klar musste das bei den anderen Jüngern komisch ankommen, so arrogant, elitär. Dabei war er es nicht, der seine Mutter vorschickte, um einen Platz zur linken und zur rechten Jesu im Reich Gottes zu bekommen. So anmaßend war Petrus nicht.

Er machte sich vielleicht mehr Sorgen als die anderen Jünger. Er fand vieles merkwürdig und übertrieben, was Jesus sagte. Dass man seine Familie verlassen solle als Jünger zum Beispiel. Aber für Jesus war das ein Bild, sich auf Gott zu konzentrieren. Und seine Frau half ihm ja dabei – warum hätte er sie verlassen sollen? Jesus hat ihn zumindest nie aufgefordert, das zu tun. Im Gegenteil, er war ja oft in ihrem Haus zu Gast. Und was war das für ein Erlebnis, als seine Schwiegermutter einfach so wieder gesund wurde.

Ja, er hatte Anteil an Jesu leben – und wenn das deutlich wird durch die Fußwaschung, dann kann doch auch deutlich werden, dass er ganz und gar bereit ist, Jesus zu folgen. In Wort und Tat, mit Händen und Kopf.

Und Petrus schien es, als würde Jesus verstehen, was er denkt. Die Jünger sollen künftig sich untereinander die Füße waschen. Zeigen, dass sie eine Gemeinschaft sind, das sie füreinander da sind, zusammengehören. Es war Petrus, als würde das tiefe Band, das er zu Jesus seit ihrer ersten Begegnung fühlte, nun weitergegeben. Ein wahrhaft heiliger Moment.

 

Da sprach Petrus zu ihm:
Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen!
Joh 13,8

Bild: Daniel Tibi/pixelio.de

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