Gründonnerstag – neu erzählt

„Halten Sie Abstand!“, stand auf den Schildern. Als Johannes in die Stadt hineinging, fiel ihm auf, wie viele dieser Schilder inzwischen aufgestellt waren. Eine Lanzenbreite Abstand, das war die Vorgabe, die die Römer machten. Dass die Römer dies resolut durchsetzten, davon musste sich Johannes nicht mit eigenen Augen überzeugen. Das wusste er.

Freilich gestalteten sich die Vorbereitungen des Pessach-Mahls umso schwieriger. Nicht alle Läden hatten geöffnet und überall dauerte das Einkaufen länger als üblich. Wo die Römer nicht selbst kontrollierten, hatten sie ihre Handlanger. Sich nicht an die Regeln zu halten, war nicht zu empfehlen.

Dass Gottesdienste verboten waren: die Bevölkerung schob es den Römern in die Schuhe. Dass 13 Personen sich treffen, um gemeinsam zu essen: verboten war das nicht, wo diese 13 Personen sowieso sonst auch zusammen waren, eine Wohngemeinschaft quasi. Aber wie die Römer dieses Treffen beurteilten, konnte man im Voraus nicht wissen. Johannes war sich nicht sicher, ob auch wirklich alle Jünger am Abend dabei sein würden. Es war nicht ohne, sich so zu treffen.

Den Mann, der ihnen den Raum zur Verfügung stellte, traf er beim Wasserholen an. Erst als sie in seinem Haus waren, wurde ihm bewusst, dass das kein gewöhnlicher Mann sein konnte. Zu groß war das Haus dafür, zu römisch seine Diener. Ja, Johannes konnte es kaum glauben: sie waren zu Gast bei einem römischen Hauptmann.

Im Innenhof war schon alles vorbereitet. Die Polster lagen in großem Abstand voneinander auf dem Boden. Johannes wurde bewusst, dass von dem vielen, was er glaubte, noch vor Einbruch der Dunkelheit erledigen zu müssen, das meiste schon getan war. Ein paar Besorgungen machte Johannes noch selbst, obwohl die Diener diese auch übernommen hätten, schließlich wollte er ja das Mahl vorbereiten, wie Jesus es ihn geheißen hatte. Da konnte er nicht einfach nichts tun.

Doch kaum, dass sich Johannes niedersetzte, kam Jesus durch das Tor in den Innenhof. Er kam allein. Johannes‘ Bericht, was alles schon vorbereitet war, hörte er kaum zu. Und als er den Gastgeber sah, verschwand er auch schon. Johannes konnte hören, dass sie über das Reich Gottes sprachen, über die Zeit, die reif sei. Über Schwerter, die vielleicht nötig seien. Schließlich redete irgendwann nur noch Jesus und der Hauptmann hörte aufmerksam zu.

Nach und nach kamen die Jünger an. Petrus als erster. Er konnte es nicht lassen, zu kontrollieren, ob wirklich alles richtig gemacht war. Doch er war von der Anwesenheit des Römers so eingeschüchtert, dass er nie gewagt hätte, sich über etwas zu beschweren. Überhaupt war eine eigenartige Stimmung. Anspannung traf es nur zum Teil.

Jesus schien fast schon überrascht zu sein, dass alle kamen. So wird es nicht bleiben, sagte er. Alles wird sich ändern. Das muss so sein. Auch ihr werdet nicht zusammenbleiben.

Beim Essen aber war es fast wieder wie früher. Es war schön zu sehen, wie Jesus das Brot brach und den Segen über den Wein sprach. Es wurde gelacht, Jesus begann zu erzählen, was die Geschichte vom Auszug der Israeliten aus Ägypten bedeutet. Dass wir Jünger nicht so unzuverlässig sein sollten wie die Israeliten damals. Es gelte, die Zeichen zu verstehen. Abrupt schloss Jesus seine Ausführungen. Stimmte den Lobgesang an und sagte, kaum dass der Gesang geendet hatte, wir sollten aufbrechen. Steht auf, lasst uns gehen, mehr sagte Jesus nicht.

Erst am Ölberg sprach Jesus wieder vertraut wie früher. Er sprach vom Bund Gottes mit den Israeliten am Sinai, und dann sprach er davon, dass es diesen Bund heute noch gebe. Dass es einen Bund zwischen ihm und uns gebe. Zwischen ihm und den Menschen. Davon, dass sich Himmel und Erde berühren. Mit ihm.

Jesus, so viel wusste Johannes, auch wenn er vieles von dem, was Jesus sagte, nicht verstand, hielt vom Kontaktverbot nicht viel. Er tat immer so, als ob es ihn nichts angehe, verstieß aber absichtlich nicht dagegen. Es musste einen anderen Grund geben, weshalb Jesus so viel von Verbindungen sprach. Von der Verbindung zwischen Gott und den Menschen, von der Güte Gottes, die alle Übertretungen der Menschen bedecke, von der Verbindung zwischen ihm und Gott, den er Abba nannte, von der Verbindung zwischen ihm uns uns, das Mahl, das wir gemeinsam feierten, nannte er einen neuen Bund, wir seien nun wie die Israeliten in Ägypten, wir würden uns bald allein gelassen fühlen, auf uns allein gestellt und sollten deshalb umso mehr füreinander da sein, Diener untereinander, keine Herren. Über all das dachte Johannes nach. Auch darüber, dass Jesus mehrmals sagte, sie sollten auf der Hut sein. Wach sein, nicht schlafen! Als ob das Schlafen nicht zum Menschen gehöre.

„Ihr seid nie allein“, sagte Jesus, als Judas vom Wasserlassen zurückkam.  Und dann, dann ging alles ziemlich schnell. Viel zu schnell für Johannes.

„Es war ein ereignisreicher Nachrichtentag“, hieß es in den Spätnachrichten.

 

 

Verweisen möchte ich abschließend – für alle, die sich eher einen „klassischen“ Impuls wünschen – auf eine kurze Andacht über die Bedeutung des Abendmahls von dem evangelischen Pfarrer und Liedermacher Clemens Bittlinger zu seinem Lied „Ich bin das Brot“ :

 

Er hat ein Gedächtnis gestiftet seiner Wunder, der gnädige und barmherzige HERR.
Psalm 111,4

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

Erstelle eine Website wie diese mit WordPress.com
Jetzt starten