Karwoche – Tag 6 (Ostersamstag):

Wir sind am letzten Tag der Karwoche. Kar, das heißt so viel wie Wehklage und Trauer.

In dieser Woche will ich das Lied „Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken“ von  Christian Fürchtegott Gellert Strophe für Strophe betrachten. Auch heute, am Ostersamstag. Es ist der letzte Teil zu diesem Lied. Der Blick geht deshalb heute auf die letzten beiden Strophen, die im Gesangbuch zu finden sind (in der ursprünglichen Fassung hat Gellerts Passionslied 22 Strophen).

Wie sehr für Gellert die Liebe Gottes mit dem Leiden verknüpft ist, haben wir bereits gesehen. Ohne das Wissen um die Liebe Gottes kann man Jesu Leidensweg nicht nachgehen. Da ist sich Gellert sicher. Der Blick zum Kreuz muss beides sein: voll Schrecken und voll Freude. Und der Blick zum Kreuz zeigt auf Gottes Weisheit. Damit Jesu Tod nicht umsonst ist, legt Gellert viel Wert darauf, dass es an uns Menschen ist, Jesus nachzufolgen.

Den Schluss aber bilden zwei Strophen, die die Bedeutung des Todes Jesu für die Menschen zusammenfassen.

Schauen wir zunächst die neunte Strophe an:

Unendlich Glück! Du littest uns zugute.
Ich bin versöhnt in deinem teuren Blute.
Du hast mein Heil, da du für mich gestorben,
am Kreuz erworben.

Es ist nicht das erste Mal, dass Gellert in seinem Passionslied das Wort Glück verwendet. Das klingt so gar nicht theologisch, im Gegensatz zu den folgenden Worten. Die persönliche Erfahrung ist Gellert wichtig – deshalb hat er für sein Passionslied auch die Ich-Form verwendet. Was habe ICH mit Jesu Tod am Kreuz zu tun? Was gibt er mir? Glück, sagt Gellert.

Was die ersten Strophen des Liedes noch durchzogen hat – Freude und Schrecken gleichermaßen, Entsetzen und Entzücken gleichermaßen – hat sich jetzt zum Glück hin verschoben. Das zwiespältige Gefühl, das die ersten Strophen prägt, sowie die Feststellung, dass Jesu Leiden und Sterben die menschlichen Gedanken übersteige (diese Strophe hat allerdings nicht Eingang ins Gesangbuch gefunden), all das mündet in Glücksgefühl.

Dass dieses Glücksgefühl kein Gefühl eines Moments ist, betont Gellert in der letzten Strophe:

Wenn endlich, Herr, mich meine Sünden kränken,
so lass dein Kreuz mir wieder Ruhe schenken.
Dein Kreuz, dies sei, wenn ich den Tod einst leide,
mir Fried und Freude.

Wenn die Sünden den Menschen krank machen, wenn sie einem Sorgen bereiten, wenn man sich dem Leben nicht gewachsen fühlt, wenn man sich viel zu unperfekt empfindet, wenn man im Sterben liegt – dann kann man von dem Glück zehren, das in Jesu Kreuzestod zu finden ist. Das Glück, dass der Mensch sich auf Vergebung von Schuld verlassen kann. Auf die Befreiung von irdischen Fesseln, auf Gottes Liebe und Gnade. Auf Gottes Gerechtigkeit. Und dass der Tod nicht das letzte Wort behält.

Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich
und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu
und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung.
So sind wir nun Botschafter an Christi statt,
denn Gott ermahnt durch uns;
so bitten wir nun an Christi statt:
Lasst euch versöhnen mit Gott! 

2 Kor 5,19f. 

Christus spricht: Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.
Offb 1,18

Bereits erschienen:
Tag 0: Leiden und lieben 
Tag 1: Hochheilige Geschäfte 
Tag 2: Gott ist Liebe
Tag 3: Gott ist Weisheit 
Tag 4 (Gründonnerstag): Also sollt auch ihr einander die Füße waschen 
Tag 5 (Karfreitag): Aufs Vergelten verzichten 

Karwoche – Tag 5 (Karfreitag): Aufs Vergelten verzichten

Wir sind in der Karwoche. Kar, das heißt so viel wie Wehklage und Trauer.

In dieser Woche will ich das Lied „Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken“ von  Christian Fürchtegott Gellert Strophe für Strophe betrachten. Auch heute, am Karfreitag.

Wie sehr für Gellert die Liebe Gottes mit dem Leiden verknüpft ist, haben wir bereits gesehen. Ohne das Wissen um die Liebe Gottes kann man Jesu Leidensweg nicht nachgehen. Da ist sich Gellert sicher. Der Blick zum Kreuz muss beides sein: voll Schrecken und voll Freude. Und der Blick zum Kreuz zeigt auf Gottes Weisheit.

Heute wollen wir die achte Strophe anschauen:

Ich will nicht Hass mit gleichem Hass vergelten,
wenn man mich schilt, nicht rächend widerschelten,
du Heiliger, du Herr und Haupt der Glieder,
schaltst auch nicht wider.

Zwei Strophen, die nicht den Weg ins evangelische Gesangbuch gefunden haben, stehen dieser Strophe in Gellerts Passionslied voran:

Ich sollte nicht, wenn Leiden dieser Erden,
Wenn Kreuz mich trifft, gelassnen Herzens werden;
Da du so viel für uns, die wir’s verschuldet,
Liebreich erduldet?

Für welche du dein Leben selbst gelassen,
Wie könnt ich sie, sie, meine Brüder, hassen?
Und nicht, wie du, wenn sie mich untertreten,
Für sie noch beten?

Jesus stirbt am Kreuz. Was für einen Sinn hat dieser Tod?

Der Wochenspruch des heutigen Karfreitags legt nahe, dabei an Jesu Sühnetod am Kreuz zu denken. Er ist für uns gestorben, für unsere Sünden – auf dass wir das ewige Leben erhalten, auf dass wir ins Reich Gottes gelangen.

Gellert gibt in seinem Lied noch eine andere Antwort. Wenn der Tod Jesu einen Sinn haben soll, dann kann sich nur daraus ergeben, dass wir,  wenn Jesus für uns gestorben ist, daraus eine Lehre ziehen. Wenn wir das Bild aus der ersten Strophe nehmen, dann könnte man diese Lehre so zusammenfassen: Wir sollen für unsere Mitmenschen zu einem Meer der Liebe werden. Wir sollen Hass nicht mit Hass vergelten, Beleidigungen nicht mit Gegenworten vergelten, sondern für die beten, die uns hassen, die uns beleidigen.

Es ist kein Zufall, dass Gellert einen neuen Würdetitel für Jesus nennt: Haupt der Glieder. In Anlehnung an 1 Kor 12 heißt das: wir sollen uns als Teil der Gemeinschaft verstehen, friedlich miteinander leben. Wie schwer das sein kann, zeigt sich darin, dass Gellert zwei der Strophen als Fragen formuliert hat. Am Schluss bleibt aber die Erkenntnis: Vergeltung ist keine christliche Tugend. Sonst wäre Jesus nicht am Kreuz gestorben.

Also hat Gott die Welt geliebt,
dass er seinen eingeborenen Sohn gab,
auf dass alle, die an ihn glauben,
nicht verloren werden,
sondern das ewige Leben haben.
Joh 3,16

Bereits erschienen:
Tag 0: Leiden und lieben 
Tag 1: Hochheilige Geschäfte 
Tag 2: Gott ist Liebe
Tag 3: Gott ist Weisheit 
Tag 4 (Gründonnerstag): Also sollt auch ihr einander die Füße waschen 

Karwoche – Tag 4 (Gründonnerstag): Also sollt auch ihr einander die Füße waschen

Wir sind in der Karwoche. Kar, das heißt so viel wie Wehklage und Trauer.

In dieser Woche will ich das Lied „Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken“ von  Christian Fürchtegott Gellert Strophe für Strophe betrachten.

Wie sehr für Gellert die Liebe Gottes mit dem Leiden verknüpft ist, haben wir bereits gesehen. Ohne das Wissen um die Liebe Gottes kann man Jesu Leidensweg nicht nachgehen. Da ist sich Gellert sicher. Der Blick zum Kreuz muss beides sein: voll Schrecken und voll Freude. Und der Blick zum Kreuz zeigt auf Gottes Weisheit.

Heute wollen wir die sechste und siebte Strophe anschauen:

Es schlägt den Stolz und mein Verdienst darnieder,
es stürzt mich tief, und es erhebt mich wieder,
lehrt mich mein Glück, macht mich aus Gottes Feinde
zu Gottes Freunde.

Da du dich selbst für mich dahingegeben,
wie könnt ich noch nach meinem Willen leben?
Und nicht vielmehr, weil ich dir angehöre,
zu deiner Ehre.

Gellerts Lied wandelt sich in diesen Strophen zu einem Glaubensbekenntnis. Zu Gottes Ehre, um Gott zu ehren, ist der Mensch bestimmt. Das meint: weniger „Selbstehre“, weniger Selbstbezogenheit. Die eigene Weisheit, der Stolz und das Wissen um den eigenen Verdienst in der Welt – all das gilt nichts mehr, es wird „darniedergeschlagen“, seiner Bedeutung beraubt.

Es gilt also, sich selbst klein zu machen, oder besser: sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen. Nicht nach dem eigenen Willen, den eigenen Bestrebungen und zielen soll man leben, sondern nach Gottes Willen. Gibt es da einen Unterschied? Für Gellert ganz sicher. Es ist ein Unterschied von Tag und Nacht. Vom Feind Gottes zum Freund Gottes.  Ein wenig zugespitzt ist das schon, gleich im Menschen, der aus weltlicher Weisheit lebt, den Feind Gottes zu erkennen. Biblisch ist es schon, denn es gilt ja, die schlechten Eigenschaften abzuwerfen. Aus Unglück wird Glück.

In der Bibel finden wir zwei unterschiedliche Geschichten zum Gründonnerstag. Einmal Jesus, der sich nach dem Abendmahl mit seinen Jüngern zurückzieht zum Gebet und einmal Jesus, der seinen Jüngern die Füße wäscht.

Hier zeigt sich, was es heißt nach Gottes Willen zu leben: Ihr sollt das tun, was ich für euch getan habe, sagt Jesus in der Erzählung der Fußwaschung zu seinen Jüngern. Und hier zeigt sich wiederum, dass das, was dem Menschen ein Ärgernis, eine Torheit ist, Gottes Weisheit zeigt.

In seinem Gedicht „Wider den Geiz“ fragt Christian Fürchtegott Gellert nach dem „Ruf des Menschen“ – eine Möglichkeit, danach zu fragen, was es heißt nicht nach dem eigenen Willen, sondern nach Gottes Willen zu leben:

Ich habe euch die Füße gewaschen –
ich, der Herr und Lehrer.
Also sollt auch ihr einander die Füße waschen.
Joh 13,14

Bereits erschienen:
Tag 0: Leiden und lieben 
Tag 1: Hochheilige Geschäfte 
Tag 2: Gott ist Liebe
Tag 3: Gott ist Weisheit 

Karwoche – Tag 3: Gott ist Weisheit

Wir sind in der Karwoche. Kar, das heißt so viel wie Wehklage und Trauer.

In dieser Woche will ich das Lied „Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken“ von  Christian Fürchtegott Gellert Strophe für Strophe betrachten.

Wie sehr für Gellert die Liebe Gottes mit dem Leiden verknüpft ist, haben wir bereits gesehen. Ohne das Wissen um die Liebe Gottes kann man Jesu Leidensweg nicht nachgehen. Da ist sich Gellert sicher. Der Blick zum Kreuz muss beides sein: voll Schrecken und voll Freude.

Heute wollen wir die fünfte Strophe anschauen:

Seh ich dein Kreuz
den Klugen dieser Erden
ein Ärgernis und eine Torheit werden:
so sei’s doch mir,
trotz allen frechen Spottes,
die Weisheit Gottes.

Die Liebe Gottes bekommt eine Begleiterin: die Weisheit. Im Alten Testament tritt sie im Buch der Sprüche personifiziert als Frau Weisheit auf, geschaffen vor aller Zeit. Und in der WG von Frau Weisheit wohnt die Klugheit.

Wenn Gellert von der Klugheit spricht, meint er nicht die göttliche Klugheit, sondern die „Klugen dieser Erde“.  Dabei greift Gellert auf die Unterscheidung, die Paulus im 1. Korintherbrief macht, zurück: den Menschen muss der Tod Jesu am Kreuz wie eine Dummheit vorkommen – sinnlos, vergebens. Ja, man kann darüber spotten, dass ein Sohn Gottes hingerichtet wird. Wer glaubt, hat einen anderen Blick auf Jesu Tod am Kreuz: Hoffnung, Freiheit, Gerechtigkeit von oben. Das Kreuz wird vom düsteren Ereignis zur Glaubensbotschaft, die Hoffnung macht. Und die Botschaft vom Kreuz die Botschaft von der Liebe, der Weisheit und der Klugheit Gottes. Der Brutalität dieser Welt zum Trotz.

Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen,
die verloren werden.
Uns aber,
die wir selig werden,
ist es eine Gotteskraft.
1 Kor 1,18ff.

Bereits erschienen:
Tag 0: Leiden und lieben 
Tag 1: Hochheilige Geschäfte 
Tag 2: Gott ist Liebe

Karwoche – Tag 1: Hochheilige Geschäfte

Wir sind in der Karwoche. Kar, das heißt so viel wie Wehklage und Trauer.

In dieser Woche will ich das „Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken“ von  Christian Fürchtegott Gellert Strophe für Strophe betrachten.

Gestern startete die Betrachtung mit der Grundlegung, die Gellert gleich in der ersten Strophe festklopft: Leiden ist nur gemeinsam mit der Liebe zu denken, beides gehört zusammen.

Und Gellert bleibt im Meer der Liebe, ja er beschreibt in den folgenden beiden Strophen die Liebestat:

Vereint mit Gott, ein Mensch gleich uns auf Erden
und bis zum Tod am Kreuz gehorsam werden,
an unsrer Statt gemartert und zerschlagen,
die Sünde tragen:

welch wundervoll hochheiliges Geschäfte!
Sinn ich ihm nach, so zagen meine Kräfte,
mein Herz erbebt; ich seh und ich empfinde
den Fluch der Sünde.

Der Betrachter kann nur staunen, was er zu sehen bekommt: ein wundervolles, hochheiliges „Geschäfte“, ein Ereignis sondersgleichen. Den Mystikern gleich erbebt das Herz und die Sinne lassen nach. Man kann spüren, dass der Betrachter seinen Augen kaum glauben kann.

Und dabei rückt die Ursache des Bösen ins Zentrum, von der in der ersten Strophe bereits die Rede war: die Sünde. Sie ist da, mitten unter uns, in uns. Wir können nicht anders. Und weil Gellert weiß, wie sehr die Sünde, all das was wir falsch machen, was uns von Gott trennt, uns belasten kann, spricht er vom „Fluch der Sünde“. Der Mensch ist verflucht. Es ist eine verfluchte Sache mit der Sünde.

Aber darauf will Gellert gar nicht hinaus, im Gegenteil: er stellt es erst ans Ende der dritten Strophe, wo schon alles andere gesagt ist: dass wir auf Vergebung hoffen können, auf Gottes Gnade. Alles verdichtet im „hochheiligen Geschäfte“. Jesus, der Mensch, stirbt einen qualvollen Tod, wird „gemartert und zerschlagen“, weil er uns liebt. Weil Gott uns liebt. Mit vereinten Kräften geht es am Kreuz zur Sache.

Er erniedrigte sich selbst
und ward gehorsam bis zum Tode,
ja zum Tode am Kreuz.
Phil 2,8

Bereits erschienen:
Karwoche – Tag 0: Leiden und lieben 

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