Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen

johannes_der_täuferWas hat es mit Johannes dem Täufer auf sich? Der wilde Mann am Jordan, der das Gericht predigt. Vom Untergang spricht. Der am liebsten Schwefel regnen lassen würde. Der will, dass die Menschen ihr Leben ändern. Es selbst in die Hand nehmen. Ehrlich sind zueinander. Sich an Gottes Gebote halten.

Der Mann, der eine intensive Frömmigkeit verlangt. Der mit Gott redet. Der sich zurückgezogen hat. Der für seine Haltung einsteht. Der sich mit den Mächtigen seiner Zeit anlegt. Was nicht so schwer ist, wenn das, was in der Bibel über Herodes steht, stimmt. Da gibt es so einiges, was man kritisieren und anklagen kann.

Wir wissen nur aus den Berichten der Jünger Jesu von Johannes. Ich bin mir sicher, dass viele Johannes-Jünger nach dessen Tod zu Jesus übergelaufen sind. Ob Jesus sie mit seiner Botschaft sehr herausgefordert hat? Ob sie sich sehr umstellen mussten bei dem, was Jesus predigte?

Der Weg von Johannes zu Jesus dürfte so schwer nicht gewesen sein. Die Zeit ist erfüllt. Tut Buße. Davon sind beide überzeugt. Von Jesus wissen wir mehr darüber, was er mit Umkehr, Buße meinte. Was es heißt, als Christ zu leben.

Wir Christen haben Johannes die Taufe zu verdanken. Was Wasser des Lebens, der Neubeginn – Johannes hat es dem Christentum mitgegeben.

War Johannes der Täufer der Lehrer Jesu? Oder nur ein Gesinnungsgenosse in unruhigen Zeiten? Mitgeprägt, so scheint es, hat er das Christentum durchaus. Nicht zuletzt damit, dass er in Jesus einen Mitstreiter und Nachfolger sah. Einen, an den er das Szepter weitergeben konnte.

Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.
Joh 3,30

Bild: Dimitri Svetskias/pixabay.com

Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen

pentecost-3409249_1280Viel ist in den Paulusbriefen die Rede davon, dass Jesus ein neues Gesetz bringt.

Mit ganz unterschiedlichen Bildern wird in den Briefen des Neuen Testaments davon gesprochen. Der aufgepfropfte Stamm, die eingerissenen Schranken von versklavten und freien Menschen, von Griechen und Juden und von Frauen und Männern. Die neue Rüstung, die angezogen wird, die neuen Waffen des Glaubens.

Das neue Gesetz ist kein Abklatsch des alten, genausowenig handelt es sich um Antithesen zum bisherigen Gesetz der Tora. Die neue Rüstung, die Waffen des Glaubens, sind die Waffen von Wort und Tat.

Das Gute soll sichtbar werden – das Miteinander, die Gemeinschaft. Ja, man soll sehen, was diesen neuen Glauben ausmacht. Bei all den militärischen Begriffen: Gewalt, Krieg, Macht – all dies ist den Christen fremd. Die ersten Christen tragen in sich das Bild einer anderen Welt. Jesus hat es in ihnen lebendig werden lassen. Eine Welt, in der keiner für sich allein lebt, in der keiner eine Insel ist.

Dies gilt auch für das Gesetz Christi: einer trage des anderen Last.

Ich kann mir gut vorstellen, dass Jesus ein Gleichnis dazu erzählt hätte (vielleicht hat er es ja auch, es müssen ja nicht alle Gleichnisse Jesu auch überliefert worden sein). Ein Gleichnis, das so lauten könnte:

Eine Frau hatte drei Töchter. Schon früh war ihr Mann, ein Kaufmann,  verstorben und sie hielt das Geschäft ihres Mannes am Laufen, anfangs mehr schlecht als recht. Eine der Töchter sollte das kleine Geschäft nun übernehmen.  Es wollte die Frau aber, dass ihre Kinder es leichter als sie haben. Deshalb wollte sie die Tochter zu ihrer Nachfolgerin bestimmen, die sich am besten durchsetzen kann. Denn das schien ihr das Wichtigste zu sein: dass sie sich in der Welt der Männer behaupten kann. 

Die Frau machte sich viele Gedanken, welche der Töchter am besten geeignet sei. War es die Älteste, die am besten von allen Töchtern mit Geld umgehen konnte? War es die Mittlere, die handwerkliche Fähigkeiten im Töpfern und Nähen hatte? Oder die Jüngste, die sich schon gegen die älteren Schwestern durchsetzen musste? Doch sie, die Jüngste, konnte keiner Fliege etwas zuleide tun und war für das Geschäft eines Kaufmanns allzu freundlich und hilfsbereit. Freilich fehlte es daran der mittleren Tochter. Sie konnte zwar die schönsten Tonwaren und die herrlichsten Kleider herstellen, war aber von großer Unfreundlichkeit und so hatte die Mutter große Sorge, dass diese Tochter die Handelspartner vergraulen könnte.  Der Ältesten hingegen fehlte jegliches Talent, sie hatte zwei linke Hände, nur eben nicht beim Geldzählen. 

So gelang es der Frau nicht, sich für eine der Töchter zu entscheiden. Als aber ihr Leben zu Ende ging, sprachen die Töchter hintereinander: Ich kann das Geschäft der Mutter nicht übernehmen. Die Älteste sagte: Ich habe mich ja nur um das Verwalten des Geldes gekümmert, ich weiß doch nichts von der anderen Arbeit. Die Mittlere sagte: Ich habe mich ja nur darum gekümmert, alles, was verkauft werden soll, in der kleinen Werkstatt herzustellen. Ich weiß doch nichts von der anderen Arbeit. Die Jüngste sagte: Ich habe doch nur verkauft, was ich vorfand und das Geld nur in die Kasse gelegt, ohne mich darum zu kümmern. Wie soll ich das Geschäft führen? 

Keine der Töchter konnte allein das Geschäft führen und keine der Töchter wollte die anderen im Stich lassen. So blieben sie zusammen und dachten ihr Leben lang darüber nach, wer von ihnen wohl am ehesten geeignet sei, das Geschäft weiterzuführen. 

So soll es auch euch ergehen, wenn ihr euch untereinander nicht einigt, wer der Erste unter euch ist, wenn ich nicht mehr da sein werde. 

Einer trage des andern Last, 
so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. 
Gal 6,2

Die Gedanken zu diesem Bibelvers aus früheren Jahren finden Sie hier.

Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen

women-friends-1577910_1280 (1)Einer trage des anderen Last: Ein schönes, aussagekräftiges Bild ist das. Füreinander da sein, einander helfen. Sich gegenseitig unterstützen. Und das, so könnte man mit Paulus ergänzen, im Rahmen der eigenen Talente.

Die Lasten des anderen tragen: Das macht das Wort „Nächstenliebe“ konkreter. Das ist eingängiger als die Goldene Regel, die Jesus in der Bergpredigt formuliert hat: Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihnen! (Mt 7)

Lasten teilen: So stellt sich Paulus das Miteinander vor, so wünscht er sich Gemeinschaft in seinen Gemeinden. Das setzt allerdings voraus, dass man die Lasten, die Belastungen der anderen auch kennt. Das setzt voraus, dass man miteinander redet, dass mehr als eine eine reine Gottesdienst-Gemeinde existiert. Eine schöne Idee in unserer Corona-Zeit fand ich, dass manche Gemeinden in ihren online-Gottesdiensten zuvor gesammelte Fürbitten aus der Gemeinde mit ins Gebet nahmen.

Lasten zu teilen: Das kann ganz vielfältig geschehen – in praktischer Unterstützung wie das Einkaufen für jemanden, in ehrenamtlicher Tätigkeit, im Gespräch nach dem Gottesdienst.

Geteilte Last: Für Paulus ist das das Gesetz Christi. Paulus wählt diese Formulierung mit Bedacht. Nachfolge heißt für ihn, so zu leben, wie Jesus es verkündet hat. Die zentrale Bedeutung von Jesu Lehre für das Leben in der Gemeinde verdeutlicht Paulus mit dem Bezug zu dem Gesetz der Thora, den Geboten. Wie Mose bringt auch Jesus Gesetze für das Zusammenleben. Wo Mose auf dem Berg die Gebote erhielt, verkündet Jesus seine Bergpredigt. „Gott ist Liebe“ ist die knappe Zusammenfassung der 10 Gebote. Und so ist auch das Gesetz des Jesus von Nazareth ein Gesetz der Liebe. Ein Gesetz, das uns ermutigt, aufeinander zuzugehen.

 

Einer trage des andern Last,
so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.

Gal 6,2 

Foto: Steve Buissine/pixabay.com

Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist

Barmherzigkeit gehört zu den altertümlichen Wörtern, bei denen es uns schwer fällt, eine passende Erklärung zu finden. Leichter fällt es uns, Beispiele für Barmherzigkeit zu nennen. Den Richter zum Beispiel, der Gnade vor Recht ergehen lässt.

Dabei fällt bereits eines ins Auge: Wir wollen eigentlich nicht auf Barmherzigkeit angewiesen sein. Wir wollen es gar nicht so weit kommen lassen, dass wir Barmherzigkeit benötigen. Wir wollen lieber klare Verhältnisse, klare Regeln. Wir wollen nicht in jemandes Schuld stehen. Gesetze scheinen da die bessere Wahl zu sein.

Gesetze aber brauchen Barmherzigkeit. Wo nicht mehr Gnade vor Recht ergehen kann, wo bei der Beurteilung von einem Vergehen die Beweggründe keine Rolle mehr spielen, da wird das Gesetz zu einer Last. Da führt das Gesetz nicht mehr unbedingt zu mehr Gerechtigkeit, sondern viel eher zu Ungerechtigkeit.

Aber auch umgekehrt funktioniert es nicht. Barmherzigkeit kann nicht Gesetze und Gebote ersetzen. Wir erleben heute in vielen Fällen ein zu wenig an Recht, an Absprachen, an Sicherheit in der Zusammenarbeit zwischen den Nationen. Unser Außenminister, Heiko Maas, forderte gestern ein „Bündnis der Hilfsbereiten“, um die Seenotrettung im Mittelmeer wieder in Gang zu setzen. Ein „Bündnis der Hilfsbereiten“, keine klare Regeln, keine klaren Absprachen innerhalb von Europa.

Wo allein die Barmherzigkeit von Staaten darüber entscheidet, ob von der Seenotrettung Aufgefischte aufgenommen werden, wo allein die Barmherzigkeit von Staaten darüber entscheidet, ob Seenotrettung überhaupt erlaubt sein soll, da beginnt ein unwürdiges Geschachere um Menschenleben, das mit Gottes Barmherzigkeit nichts zu tun hat. Gottes Barmherzigkeit ist die Zuwendung Gottes in Liebe zu den Menschen. Barmherzigkeit ist keine abstrakte Größe, Barmherzigkeit funktioniert im Gegenüber Gottes mit den Menschen, sie ist kein Rechenspiel. Barmherzigkeit ist nicht berechenbar.

Wenn wir von Gottes Barmherzigkeit sprechen, dann können wir nicht abstrakt und aus der Ferne darüber reden. Es geht dabei nicht um das Allgemeine, sondern um den einzelnen Menschen. Barmherzigkeit kann in unserer Welt Gesetze nicht ersetzen. Barmherzigkeit kann Gesetze wohl aber korrigieren, humaner machen, weil Gesetze abstrakt sind und nicht auf den Einzelnen bezogen.

 

Seid barmherzig, 
wie auch euer Vater barmherzig ist. 
Lukas 6, 36

Der Text ist ein Ausschnitt meiner Predigt am heutigen Sonntag in Hausen ob Verena und in Seitingen. 

Erstelle eine Website wie diese mit WordPress.com
Jetzt starten