Viel ist in den Paulusbriefen die Rede davon, dass Jesus ein neues Gesetz bringt.
Mit ganz unterschiedlichen Bildern wird in den Briefen des Neuen Testaments davon gesprochen. Der aufgepfropfte Stamm, die eingerissenen Schranken von versklavten und freien Menschen, von Griechen und Juden und von Frauen und Männern. Die neue Rüstung, die angezogen wird, die neuen Waffen des Glaubens.
Das neue Gesetz ist kein Abklatsch des alten, genausowenig handelt es sich um Antithesen zum bisherigen Gesetz der Tora. Die neue Rüstung, die Waffen des Glaubens, sind die Waffen von Wort und Tat.
Das Gute soll sichtbar werden – das Miteinander, die Gemeinschaft. Ja, man soll sehen, was diesen neuen Glauben ausmacht. Bei all den militärischen Begriffen: Gewalt, Krieg, Macht – all dies ist den Christen fremd. Die ersten Christen tragen in sich das Bild einer anderen Welt. Jesus hat es in ihnen lebendig werden lassen. Eine Welt, in der keiner für sich allein lebt, in der keiner eine Insel ist.
Dies gilt auch für das Gesetz Christi: einer trage des anderen Last.
Ich kann mir gut vorstellen, dass Jesus ein Gleichnis dazu erzählt hätte (vielleicht hat er es ja auch, es müssen ja nicht alle Gleichnisse Jesu auch überliefert worden sein). Ein Gleichnis, das so lauten könnte:
Eine Frau hatte drei Töchter. Schon früh war ihr Mann, ein Kaufmann, verstorben und sie hielt das Geschäft ihres Mannes am Laufen, anfangs mehr schlecht als recht. Eine der Töchter sollte das kleine Geschäft nun übernehmen. Es wollte die Frau aber, dass ihre Kinder es leichter als sie haben. Deshalb wollte sie die Tochter zu ihrer Nachfolgerin bestimmen, die sich am besten durchsetzen kann. Denn das schien ihr das Wichtigste zu sein: dass sie sich in der Welt der Männer behaupten kann.
Die Frau machte sich viele Gedanken, welche der Töchter am besten geeignet sei. War es die Älteste, die am besten von allen Töchtern mit Geld umgehen konnte? War es die Mittlere, die handwerkliche Fähigkeiten im Töpfern und Nähen hatte? Oder die Jüngste, die sich schon gegen die älteren Schwestern durchsetzen musste? Doch sie, die Jüngste, konnte keiner Fliege etwas zuleide tun und war für das Geschäft eines Kaufmanns allzu freundlich und hilfsbereit. Freilich fehlte es daran der mittleren Tochter. Sie konnte zwar die schönsten Tonwaren und die herrlichsten Kleider herstellen, war aber von großer Unfreundlichkeit und so hatte die Mutter große Sorge, dass diese Tochter die Handelspartner vergraulen könnte. Der Ältesten hingegen fehlte jegliches Talent, sie hatte zwei linke Hände, nur eben nicht beim Geldzählen.
So gelang es der Frau nicht, sich für eine der Töchter zu entscheiden. Als aber ihr Leben zu Ende ging, sprachen die Töchter hintereinander: Ich kann das Geschäft der Mutter nicht übernehmen. Die Älteste sagte: Ich habe mich ja nur um das Verwalten des Geldes gekümmert, ich weiß doch nichts von der anderen Arbeit. Die Mittlere sagte: Ich habe mich ja nur darum gekümmert, alles, was verkauft werden soll, in der kleinen Werkstatt herzustellen. Ich weiß doch nichts von der anderen Arbeit. Die Jüngste sagte: Ich habe doch nur verkauft, was ich vorfand und das Geld nur in die Kasse gelegt, ohne mich darum zu kümmern. Wie soll ich das Geschäft führen?
Keine der Töchter konnte allein das Geschäft führen und keine der Töchter wollte die anderen im Stich lassen. So blieben sie zusammen und dachten ihr Leben lang darüber nach, wer von ihnen wohl am ehesten geeignet sei, das Geschäft weiterzuführen.
So soll es auch euch ergehen, wenn ihr euch untereinander nicht einigt, wer der Erste unter euch ist, wenn ich nicht mehr da sein werde.
Einer trage des andern Last,
so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.
Gal 6,2
Die Gedanken zu diesem Bibelvers aus früheren Jahren finden Sie hier.