Ich harre des Herrn, heißt es im Psalm. Ich warte, bin voller Erwartung. Etwas hat sich in mir angestaut, ich weiß: so kann es nicht weitergehen. Wer harrt, der ist nicht voll Freude. Wer harrt, der hat Erwartungen. Hoffnungen. Wer harrt, der will etwas.
Ich harre des Herrn voll Ungeduld.
Vielfältig sind heute die Töne und Stimmen derer, die die weiteren Lockerungen kaum erwarten können. Da ist keine Pause, kein Innehalten. Kein Stolz darauf, es geschafft zu haben, an einem großen Unglück vorbeigeschrammt zu sein. Da muss das Grundgesetz herhalten für Forderungen, die nur die eigene Ungeduld spiegeln. Laut sind sie.
Vielfältig sind heute die Töne und Stimmen derer, die es erwarten können. Auch sie sind voll Ungeduld, auch sie wollen das Öffnen der Geschäfte. Bei ihnen aber ist dieser Wunsch verbunden mit Angst. Vorsichtig sind sie.
Und schließlich sind da die Töne und Stimmen derer, die am liebsten noch warten wollen mit dem Öffnen, mit dem Zurück zur „Normalität“. Ungeduldig sind sie höchstens über die Ungeduld der anderen. Zögernd sind sie.
Und Gott wendet sich mir zu, geht es in dem Psalm weiter. Gott erhört mich. Er hört mein Schreien, mein Klagen, mein Weinen, meine Ungeduld. Er hört mich. Er weiß um das, was mich bedrückt, egal wie viele Worte ich darum mache.
Und Gott stellt meine Füße auf einen Fels, dass ich sicher treten kann – bei allem, was uns in den kommenden Wochen begegnet, wie die Entwicklung in Deutschland weitergeht, sollte das der Leitspruch sein: Stehen wir auf festem Boden? Ist es Fels, auf dem wir stehen? Bewirkt unser Verhalten, dass wir den Boden unter den Füßen nicht verlieren? Vorsichtig werden wir die kommenden Wochen und Monate unsere Schritte tun. Denn wir wissen: auf schwankendem Grund lässt sich nicht leben.
Ich harre des Herrn, und er neigte sich zu mir und hörte mein Schreien. er zog mich aus der grausigen Grube, aus lauter Schmutz und Schlamm, und stellte meine Füße auf einen Fels, dass ich sicher treten kann. Psalm 40,2f.
Gedanken zum vorgesehenen Wochenspruch aus Psalm 66 finden sich hier.
Ich verschränke meistens die Hände, halte sie vor meinen Bauch. Die Daumen berühren sich an ihren Spitzen. Das gibt mir innere Ruhe, und ja: so habe ich eben das Beten gelernt.
Sich an jemanden zu wenden, ungefiltert und ohne viel Überlegen seine Gedanken, seine Wünsche und Bitten mitzuteilen, das macht für mich das Beten aus. Ich muss keine vorgefertigten Formulierungen aufsagen, muss keine Sätze formulieren, es reicht ein Name, ein Gefühl, das ich Gott anvertrauen will. Anvertrauen, das heißt: auch abgeben, nicht loswerden, sondern loslassen, was man selbst nicht beeinflussen kann.
Und was, wenn meine Bitten nicht erhört werden? Was, wenn meine Wünsche verhallen? Dann ist das so. Was ich in Gottes Hände lege, das ist dann auch bei Gott. Was ich nicht ändern kann, das muss ich hinnehmen. Etwas anderes bleibt mir gar nicht übrig, wenn ich nicht verbittert und voller Groll sein will.
„Gott ist kein Kaugummiautomat“, hat ein früherer Pfarrer von mir immer gesagt. Gott ist kein Automat, der Wünsche und Bitten erfüllt. Ich würde heute noch weitergehen: Das ist auch gar nicht das, wofür ein Gebet unbedingt da ist. Es geht nicht darum, etwas zu erzwingen. Es geht darum, an jemanden zu denken, eine Sorge zu teilen, eine Last loszuwerden. So ein Gespräch mit Gott macht auch etwas mit mir.
Wir hören ja nicht auf zu beten, wenn eine Bitte nicht erfüllt wird. Wir bleiben vielleicht sogar hartnäckig daran, jemanden Gottes Fürsorge anzuvertrauen. Gebet um Gebet. Wer seinem Bruder 77 Mal vergeben soll, der soll auch für seinen Bruder 77 Mal beten.
Gott wendet seine Güte nicht von mir, lautet der zweite Teil des Psalmverses. Das ist der Grund, weshalb ich bete. Die Zusage an mich, dass Gott mir zuhört. Ich kann zu Gott beten, weil ich mir sicher bin, dass Gott sich mir zuwendet. Im Gebet.
Gott verwirft mein Gebet nicht. Er hört mein Gebet. Er erhört mein Gebet.
Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft noch seine Güte von mir wendet. Psalm 66,20